Polizeischutz, Lügner-Rufe und Trillerpfeifen für Krach!
Blauer Himmel, Bratwurst und Pils für die Bürger!
Der Morgen des Mai – Feiertages. Schon seit Tagen freue ich mich auf den 1. Mai. Ich habe zur Teilnahme aufgerufen. Gestern Abend habe ich noch Trillerpfeifen mit Umhängebändern verknotet. Aber jetzt bin ich tatsächlich aufgeregt. Kommen die Gegner der Krankenhausschließung? Werden sie Krach und seiner Partei zeigen, dass sie diese Art von Politik ablehnen? Mein Chefredakteur holt mich ab. Wir haben über 200 Trillerpfeifen dabei, am Ende werde ich nur meine eigene behalten.
Festliche Atmosphäre mit einem Hauch von Spannung
Der noch fast leere Rathausplatz hat sich herausgeputzt. Der Himmel zeigt sein schönstes Blau. Stände der Parteien, von Verdi bis zu den »Omas gegen rechts«. Der Altar für den ökumenischen Gottesdienst ist aufgebaut. Der tolle Gitarrist auf der Bühne macht Tonproben.
Bratwurstgeruch liegt in der Luft. Der Chef des DGB-Ortsvereins Lehrte Reinhard Nold dreht die Runde und schaut, ob alles gut vorbereitet ist. Wir führen ein nettes Gespräch. Er bittet darum, dass nicht durchgängig gepfiffen wird. Noch nie war die Polizei auf der Veranstaltung, sagt er.
Dieses Jahr ist eine Streife der Polizei Lehrte während der ganzen Veranstaltung vor Ort. Außerdem wird die Bereitschaftspolizei während der Rede von Krach präsent sein.
Lehrtes Gemeinschaft zeigt Gesicht
Unser Bürgermeister Frank Prüße begrüßt die allmählich eintreffenden Bürger, Politiker und Helfer.
Sehr sympathisch, volksnah und freundlich.
Wir haben uns an einem Stehtisch an der Bühne postiert. Jetzt bekommt das Internet viele Gesichter.
Bürger, die ich aus vielen Chats und Mails wegen meiner vielen Beiträge gegen die Krankenhausschließung kenne.
So viele unterschiedliche Menschen. Da haben wir den jungen Familienvater, der eigentlich wenig Zeit hat, weil er ein zweijähriges Kind hat. Zudem haben wir darunter einige Mitarbeiter aus dem Krankenhaus, die sich bei ihrem Chef auch mit einem Pfeifkonzert bedanken wollen. Ebenso dabei auch den Rentner, der eigentlich immer die SPD gewählt, aber jetzt bitter enttäuscht ist und diese Partei nicht wieder wählen möchte.
Überdies haben wir den, trotz seiner Rente, sehr aktiven Ingenieur, der auf zwei Krücken und mit Frau und Enkeltochter an der Kundgebung teilnimmt. Sowie die über 80-Jährige, die neulich eine Bekannte im Krankenhaus GBW besuchen wollte, dort aber nie hingekommen wäre, wenn sie ihre Kinder nicht gefahren hätte. Nicht zu vergessen das nette Pärchen, dass sich für die vielen, vielen Beiträge zum Krankenhaus bedankt und befürchtet, dass unser Krankenhaus eine Flüchtlingsunterkunft wird. Ich kann gar nicht alle aufzählen. Lehrte ist wirklich bunt. Unsere Stadt hat viele interessante Menschen.
Ökumenischer Gottesdienst und politische Reden
Der ökumenische Gottesdienst eint sehr viele Menschen auf dem Platz. Ein schönes Bild. Da haben wir den Bürgermeister mit seiner Frau, Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch von der SPD und die CDU-Ortsbürgermeisterin Heike Koehler aus Ahlten. Weil der Genosse nicht so textsicher scheint, hilft ihm diese mit dem Textblatt.
Reinhard Nold eröffnet die Kundgebung. Ein sicher wichtiges und richtiges Thema seiner Rede sind die vielen Reinigungskräfte, die im Auftrag der Stadt im Niedriglohnsektor eine sehr wichtige Arbeit machen.
Da diese aber nicht direkt bei der Stadt angestellt sind, sondern bei Subunternehmen, die immer wieder wechseln, weil die Stadt immer neue Ausschreibungen macht, haben sie prekäre Jobs. Das möchte der DGB ändern und gibt das Thema an die Politik.
Emotionen und Konfrontation
Dann kommt unser Bürgermeister. Eine sehr kämpferische, entschlossene und argumentativ spannende Rede.
Er verweist auch an dieser Stelle auf den Vertrag von 1970, der die Region Hannover und das KRH nicht aus der Verantwortung lässt.
Er merkt allerdings auch an, dass es rechtlich ein sehr komplexes Thema ist und Lösungen sicher nur gemeinsam gefunden werden können. Die Stadt hat sich dazu positioniert und kämpft weiter für eine verbesserte medizinische Versorgung. Sehr viel Beifall, Bravo-Rufe, anerkennendes Nicken und Zustimmen eint die Menschen auf dem Platz.
Matthias Miersch hält eine typische Politikerrede. Die Gefahr von Rechts, die Demokratie-Feinde, die Europa-Wahlen, Kampf für das Klima und so weiter. Ein sehr guter Redner ohne Frage, auch nicht unsympathisch. Allein einen Bezug zu Lehrter Themen gab es nicht. Alle Beiträge wurden vom hervorragenden Gitarrenspieler übergeleitet. John Lennon und Co funktionieren immer.
Überraschend hat auch der Betriebsratsvorsitzende von Miele eine kämpferische Rede gehalten, die von vielen Anwesenden der insgesamt über 300 Mitarbeitern in Lehrte lautstark unterstützt wurde. Ganz Lehrte unterstützt den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze.
Kulturelle Darbietungen und politische Turbulenzen
Highlight des Tages war ohne Frage die Nachwuchsgruppe der Sportakrobatik des MTV Ilten. Die sportlichen Mädels wurden begeistert vom Publikum gefeiert. Es gab sehr viel Beifall und die großen und kleinen Akrobaten hatten alle, mit Recht, ganz stolze Gesichter.
Derweil begannen im Hintergrund auch die Vorbereitungen auf den letzten Redner des Tages.
7 »aufgepumpte« Bereitschaftspolizisten postierten sich hinter der Bühne. Neben dem Rathaus, verdeckt vom Grün, stand das Einsatzfahrzeug der Polizei.
Beim Tontechniker stand er im blassen grauen Anzug gekleidet, Regionspräsident Herr Krach. Unter den Augen der Polizei wurde er im Hintergrund verkabelt.
Mit der Ankündigung von Herrn Krach kam Bewegung auf den Rathausplatz. Er war sichtlich nervös. Die Rede wurde vielmals von lautstarken Trillerpfeifen unterbrochen.
Die Wut vieler Lehrter über ihn und seine Partei war unüberhörbar. Lautstarke Zwischenrufe wie »Lügner«, »Das glaubst Du doch selbst nicht« und ähnliches gab es mehrmals. Die Gesichter der anwesenden Zuhörer sprachen Bände.
Die zwölfminütige Rede von Herrn Krach könnt ihr hier anhören.
Die Rede enthielt erwartungsgemäß nichts signifikant Neues, zwei Dinge sind mir allerdings aufgefallen. Er redet jetzt von 20 Millionen (vorher immer von 17) und er hat den Bürgermeister, den gesamten Rat der Stadt Lehrte und die Journalisten zu einem gemeinsamen Besuch eines RGZ eingeladen.
Er funktioniert offenbar nur unter Druck. Genau den gleichen Vorschlag hatte er im Gesundheitsausschuss nicht aufgegriffen. Ein noch blasserer Krach verließ dann unter Polizeischutz die Kundgebung.
Und viele Besucher verließen ebenso direkt nach der Rede langsam den Rathausplatz.
Quellen:
Fotos: ©P.R.-F. | ©Thomas Janus
Anmerkung der Redaktion: Für bessere Lesbarkeit verzichten wir in unseren Beiträgen weitestgehend auf geschlechtergerechte Sprache. Mehr dazu