Die Schließung und ihre Folgen
Mit der Schließung des Krankenhauses Lehrte Anfang 2024 im Zuge der Medizinstrategie 2030 steht die Region vor einer Versorgungskrise. Die Entscheidung, die medizinischen Leistungen größtenteils nach Großburgwedel zu verlagern, hinterließ eine große Versorgungslücke.
Diese Lücke wird auch mindestens bis zur geplanten Eröffnung eines regionalen Gesundheitszentrums (RGZ) nicht geschlossen sein. Der Baubeginn für das RGZ in Lehrte ist frühestens im Sommer 2026 zu erwarten. Denn dann soll der erste Spatenstich erfolgen.
Die Bevölkerung sieht sich seither mit überfüllten Arztpraxen, einer fehlenden Notfallversorgung und mangelnder Information konfrontiert.
Besonders kritisch: Wer sich selbst mit gesundheitlichen Problemen zum ehemaligen Krankenhaus in Lehrte begibt, wird oft mit den Worten „Sie sind transportfähig, fahren Sie selbst zum nächsten Krankenhaus“ an andere Standorte verwiesen.
Diese Vorgehensweise stößt bei Betroffenen auf Unverständnis und ist nahezu als medizinisch fahrlässig einzustufen.
Die Ziele der Medizinstrategie 2030
Die Medizinstrategie 2030, die vom Klinikum Region Hannover (KRH) ins Leben gerufen wurde, hat eigentlich ambitionierte Ziele. Sie setzt auf die Spezialisierung von Standorten, die Bündelung medizinischer Leistungen und den Ausbau ambulanter Behandlungsangebote.
Diese Ansätze sollen das Gesundheitssystem effizienter und moderner gestalten.
Für Lehrte bedeutet dies konkret die Schaffung eines regionalen Gesundheitszentrums.
Geplant sind dort:
- Ambulante Behandlungsmöglichkeiten, darunter Allgemeinmedizin, Radiologie, Urologie und Physiotherapie.
- Ein ambulantes OP-Zentrum mit drei Operationssälen.
- Zehn Betten für Kurzzeitbehandlungen.
Der Baubeginn ist jedoch erst für Sommer 2026 vorgesehen, was bedeutet, dass die Region mehr als drei Jahre ohne eine vollwertige lokale Gesundheitsversorgung auskommen muss.
Die aktuelle Situation – Bürger fühlen sich im Stich gelassen
Für die Bürger in Lehrte sind die Auswirkungen der Schließung spürbar – und oft dramatisch.
Lange Wege zu den nächsten Kliniken in Großburgwedel, Hannover, Celle oder Peine sind besonders für Menschen ohne eigenes Fahrzeug eine enorme Belastung.
Zu Stoßzeiten, in den Abend- und Nachtstunden sowie an Wochenenden verschärft sich die Situation weiter, da die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht ist.
Die Verlagerung der medizinischen Leistungen führte zudem zu einer Überlastung der Zielkliniken.
Arztpraxen und Notaufnahmen berichten von langen Wartezeiten und überfüllten Räumen.
Die Betroffenen schildern, dass sie mit Beschwerden oder Verletzungen an andere Krankenhäuser verwiesen werden, obwohl sie akute Hilfe benötigen.
Besonders problematisch ist dies für mobilitätseingeschränkte Personen, die oft keine Alternative haben.
Ein Bürger bringt es auf den Punkt: „Was passiert mit denen, die nicht mobil sind? Sollen die sich mit Verletzungen in den Bus setzen, um ins nächste Krankenhaus zu kommen?“
Der Frust wächst, ebenso die Kritik an den Verantwortlichen.
Die Rolle des Krankenhauses Lehrte – Kein Maximalversorger, aber ein wichtiger Baustein
Die Verantwortlichen des Klinikums Region Hannover argumentieren, dass das Krankenhaus Lehrte nie ein Anlaufpunkt für schwere Fälle war. Diese Aussage ist insofern korrekt, als die Einrichtung keine Klinik der Maximalversorgung war. Hoch spezialisierte Behandlungen und die Versorgung von Schwerstverletzten oder komplex erkrankten Patienten wurden schon vor der Schließung an spezialisierte Häuser in Hannover oder Großburgwedel überwiesen.
Jedoch verkennt diese Argumentation die zentrale Rolle, die das Krankenhaus Lehrte in der regionalen Gesundheitsversorgung gespielt hat.
Für Notfälle mit mittlerem Schweregrad – wie Knochenbrüche, kleinere chirurgische Eingriffe oder internistische Notfälle – war Lehrte ein wichtiger erster Anlaufpunkt.
Die schnelle Erreichbarkeit der Klinik war insbesondere in ländlichen Gebieten von entscheidender Bedeutung.
Mit der Schließung fällt diese Funktion komplett weg, was nun längere Anfahrtswege für Patienten bedeutet, selbst bei weniger schwerwiegenden medizinischen Fällen.
Diese Entwicklung stellt nicht nur eine logistische Herausforderung dar, sondern erhöht auch das Risiko für Patienten, deren Zustand sich durch Verzögerungen verschlechtern könnte.
Übergangszeit als Schwachstelle
Übergangsphasen bei der Schließung von Krankenhäusern gelten als besonders kritischer Punkt bei der Umsetzung von Zentralisierungsstrategien.
Eine Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, dass Krankenhausschließungen die Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus für betroffene Patienten im Durchschnitt um rund sieben Minuten verlängern.
Diese verlängerten Fahrzeiten können speziell für Notfallpatienten kritisch sein, da jede Minute zählt.
Notfallmediziner betonen, dass längere Transportzeiten das Risiko für Patienten erhöhen können, vornehmlich wenn keine adäquaten Übergangslösungen vorhanden sind.
Die fehlende unmittelbare Versorgung vor Ort kann somit die Gesundheit der Menschen in der Region gefährden.
Lösungsansätze – Was jetzt passieren muss
- Ausbau der Rettungsinfrastruktur
Ein zentraler Punkt zur Verbesserung der aktuellen Situation ist die Rettungsinfrastruktur.
Mehr Rettungswagen und Notfallsanitäter könnten die Reaktionszeiten verkürzen und die Versorgungssituation deutlich verbessern.
Zudem wird in der Region Hannover berichtet, dass auf vielen Rettungswachen an Wochenenden keine Notärzte mehr vorgehalten werden. Stattdessen werden diese im Ernstfall mit dem Hubschrauber aus Hannover entsandt – ein Verfahren, das wertvolle Minuten kosten kann. Hier muss dringend nachgebessert werden, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. - Einrichtung eines Notfallzentrums in Lehrte
Ein temporäres Zentrum könnte zumindest grundlegende Notfallbehandlungen anbieten, eine schnellere Erstversorgung gewährleisten und eine professionelle Einschätzung der Lage ermöglichen. Patienten, die eine weitergehende Behandlung benötigen, könnten von hier aus gezielt an umliegende Kliniken verwiesen werden. - Shuttle-Dienste zu anderen Kliniken
Um die Weiterbehandlung sicherzustellen, könnten kostenlose Shuttle-Busse eingerichtet werden, die mobilitätseingeschränkten Personen den Zugang zu den Zielkliniken erleichtern. So würde die Versorgung auch für Patienten ohne eigenes Fahrzeug gewährleistet. - Ausbau der öffentlichen Verkehrsanbindung
Mehr Bus- und Bahnverbindungen, besonders zu Stoß- und Nachtzeiten sowie an Wochenenden und an Feiertagen, sind dringend erforderlich. - Transparente Kommunikation
Die Verantwortlichen müssen klar darlegen, welche Leistungen in Lehrte noch verfügbar sind und wie die Bevölkerung im Notfall handeln soll.
Ein Gesundheitskonzept mit Schattenseiten
Die Schließung des Krankenhauses Lehrte ist ein Beispiel dafür, wie ambitionierte Strategien an der Realität scheitern können, wenn Übergangsphasen nicht sorgfältig geplant werden.
Die Menschen in Lehrte fühlen sich im Stich gelassen, und der Unmut wächst.
Gleichzeitig zeigt die Situation, wie dringend eine nachhaltige und sozial gerechte Gesundheitsversorgung umgesetzt werden muss.
Ihre Meinung zählt!
Wie erleben Sie die aktuelle Versorgungssituation in Lehrte?
Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um die Versorgungslücke bis zur Eröffnung des Regionalen Gesundheitszentrums zu schließen?
Teilen Sie Ihre Gedanken und Vorschläge mit uns – per Kommentar, auf Social Media oder per E-Mail an deine-meinung@be-the.news.
Erzählen Sie uns gern Ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, denn nur mit Ihrer Stimme können wir den Verantwortlichen zeigen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen tatsächlich haben.
Quellen:
Fotos: © unbekannt – Anonym
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Krankenhausschließungen: Längere Fahrzeiten
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